Hochalpine Skitouren im Gasteinertal

Skitouren Gastein

„Das Ziel ist der Gipfel“, sagt Extrembergsteiger Peter Habeler. Ich behaupte: Zum Gipfel eines sinnerfüllten Lebens geht’s auch ohne Extreme – gemütlich, genüsslich, achtsam. Mein alter Freund und Bergführer Sepp Inhöger führt mich einen Tag ins hochalpine Terrain im Gasteinertal auf den Kalkbretterkopf; zwischen Weg und Gipfel als Ziel.

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Nach der Gaudauner Hochalm ist er in Sicht.

Der Sepp und der Joda on Tour

Seit dem ich Sepp als Eiskletter-Crack und Bergführer kenne, ist für mich klar: Eine hochalpine Skitour gehe ich nur mit ihm. Er ist einer der Einheimischen, welche die Dinge einfach tun, ohne sie über eine große Glocke hinauszuläuten; ein feiner bescheidener Kerl. Alleine wären Skitouren zwar auch entspannt, sind aber so empfehlenswert, wie ein Esel als clever gilt: Sich aus einer Lawine selbst ausgraben geht nämlich schlecht.

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Sicherheit geht vor: Piepscheck sagt der Sepp.

Kalkbretterkopf oder Breitfeldkogel?

Sepp und ich gehen also auf den Kalkbretterkopf, den die Gasteiner Breitfeldkogel nennen. Am Parkplatz des Skizentrums Angertal reichen wir uns wie zwei echte Skitourengeher kräftig die Hände. Bloß nicht zu viel zeigen, dass wir uns über unser Wiedersehen freuen. Warum ein Berg zwei Namen hat, will ich wissen? „Auf der Talseite in Rauris wird Schiefer abgebaut. Vielleicht heißt er Kalkbretterkopf, weil aus dem Stein schmale Platten (Bretter) gemacht werden“, spekuliert Sepp. „Von der Gasteiner Seite wirkt der Berg sehr breit; daher nennen wir ihn vermutlich Breitfeldkogel.“ Ein alter Einheimischer kennt den Kalkbretterkopf jedenfalls nicht.

„Pieps-Check!“, fordert mich Sepp auf, nimmt sein LVS-Gerät heraus und wir testen Senden und Empfangen. „Passt!“ Direkt vom Parkplatz stapfen wir über den flachen Übungshang 250 Höhenmeter entlang der Skipiste Richtung Schlossalm bis zur Brücke am Lafenbach. Sie führt uns auf den Sommerweg in den Wald bis auf die Gadaunerer Hochalm.

Schneebedeckt sind die Bäume, die Sonne wärmt uns am Weg nach oben, der Himmel ist blau, Kaiserwetter sagt man in Österreich dazu. Ich höre Vögel zwitschern, ein Flugzeug über uns rauschen, das Knarzen meiner Bindung und mein lautes Schnauben. Für Sepp, ein Hybrid mit 4 Beinen, ist´s noch gemütlich. Obwohl mich die Tour fordert, haben wir genug Zeit und Luft für einen Plausch: „Je nach Winter schaffe ich 50 bis 80 Skitouren“, erzählt er. Das gelingt mir als ambitionierter Sportler in 2 Jahren nicht. Langsam lichtet sich der Wald, wir sehen die Almhütte und den dahinter thronenden Kalkbretterkopf.

Bitte mit Rum!

Auf der Gadauner Hochalm machen wir eine Pause, trinken Tee und essen ein wenig. „Willst auch?“, fragt er mich und reicht mir die Tasse seiner Thermoskanne. Ich nehme einen großen Schluck. „Rum? Ruuum!“, huste ich. „Nur ein Schuss für den Geschmack“, grinst Sepp. Ok, er spielt wirklich in einer anderen Liga. Die zwei Split-Boarder, die uns bisher gefolgt sind, kommen nun auch an. Sepp kennt sie. Gerwin und Markus organisieren im Gasteinertal Split-Board-Camps. Wir unterhalten uns eine Weile, ich biete ihnen an, sie bei der Abfahrt zu fotografieren. „Gerne, Vil!“, freut sich Gerwin. „Du musst sie mir aber für meine Website schicken.“ „Mache ich natürlich“, entgegne ich. Die zwei ziehen gemütlich weiter.

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In Spitzkehren gelangen wir zum Grat und auf den Gipfel, ich als Packesel mit Kamera und Rucksack.

Kurz vor dem Gipfel

Über steiles Gelände und einige Kuppen marschieren wir weiter ins Tal bis zum Schwalbenkar, oder Breitfeldboden, wie die Gasteiner sagen. Wieder ein anderer Name? Am Gedenkstein nehme ich einen tiefen Atemzug. Sepp ist nicht mal richtig warm. „Auf geht’s!“, sage ich. So kurz vor dem Ziel entwickle ich Ehrgeiz für den letzten Anstieg: In Spitzkehren über steile Wechten gelangen wir zum Grat und auf den Gipfel. Für die Landschaft habe ich ein paar Minuten wenig Sinn: keine Luft mehr. Die Split-Boarder sitzen bereits oben, lachen und rauchen eine Zigarette. So verhöhnt wurde ich noch nie. Nie!

Skitouren Gastein
Unser Ziel war dann doch der Gipfel.

Zwischen Weg und Ziel dem Herrgott näher

Vielleicht hat Habeler Recht: „Das Ziel IST der Gipfel.“ Aber der Weg ist auch schön: die Ruhe, die Anmut der Berge, die karge Schneelandschaft über der Baumgrenze. So lasse ich den Alltag Alltag sein. Der Gipfel ist nun mal da. Wer sich für ihn entschließt, geht ganz hinauf, trotz brennender Beine oder knapper Luft. Wer ihn erklimmt, ist noch zufriedener, glücklicher und entspannter als am Weg dorthin. Und was sagt Sepp dazu? „Der Gipfel ist wichtig, er ist das Ende einer beharrlichen Leistung. Ich bin jedes Mal dankbar, wenn ich oben sein darf“, wird er neben dem Gipfelkreuz nachdenklich und fährt fort: „Kirchengeher bin ich zwar keiner, aber dem Herrgott ist man hier oben schon sehr nahe.“ Und was schätzt er außer dem Gipfel? Sepp genießt die Ruhe der Natur und liebt es, bei einer Skitour gefordert zu sein: „Gehe achtsam, lege eine schöne sichere Steigspur durchs Gelände und freu dich auf den Powder bei der Abfahrt.

Die Abfahrt

Liebe Leser, könnte ich besser Ski fahren als ein Wasserkocher, wäre die Abfahrt für mich ein fantastisches Erlebnis, das ich genau beschreiben würde. So viel sei jedoch gesagt: Wir haben Pulver bis zu den Knien, meine breiten Powder-Latten mit 95 cm unter meinen Füßen machen fetten Auftrieb,  aber wahrscheinlich ist es der Rum: „Dich rettet, dass du keine Angst hast“, lacht Sepp, als er mich fahren sieht. „Das habe ich schon einmal gehört“, murre ich.

Skitouren Gastein
So schaut Tiefschneefahren auf Skiern aus.

Sepps beliebte Skitouren in Gastein

  • Kalkbretterkopf/Breitfeldkogel (unter Einheimischen) (2.401 m), Start: Skizentrum Angertal (1.180 m), Aufstieg: 1.221 Hm, Dauer: 3:30 h
  • Türchlwand (2.577 m), Start: Skizentrum Angertal (1.180 m), Höhenunterschied: 1.397 Hm, Aufstieg: 4:00 h
  • Hahnbalzköpfl (1.862 m), Start: Dorfgastein Ortsteil Unterberg (830 m), Höhenunterschied: 1.000 Hm, Aufstieg: 2:30 h
  • Tagkopf (2.085 m), Start: Dorfgastein Ortsteil Unterberg (830 m), Höhenunterschied: 1.255 Hm, Aufstieg: 3:00 h
  • Honigleitenkopf (2.442 m); Start: Böckstein, Parkplatz Gasteiner Heilstollen (1.270m), Aufstieg: 1.175 Hm, Dauer: 3:00 h

Was in keinem Führer steht

Die obengenannten Touren sind leicht und sicher. Im Gasteinertal gibt es aber etliche anspruchsvollere Routen mit mehr als 1.500 Höhenmetern Aufstieg, exponiertem Gelände und einsamen Abfahrten. Das Gute daran ist: „Das steht in keinem Führer“, erzählt mir Sepp, als wir uns beim Auto die Skischuhe ausziehen und ich komme nun zum Kern: Eskapisten zieht es ins Gasteinertal, es ist frei von Sünden des Massen-Tourismus´, unberührt, nicht überlaufen und unverdorben. Bei den meisten Skitouren trifft ihr keine Menschenseele. Solche Orte sind so selten geworden, wie ein Goldstück im Rinnstein. Sucht nicht selbst danach, sondern lasst sie euch von den Bergführern der Region zeigen – das ist viel entspannter.

Skitouren lieber mit Guide

Skitouren gehen ist einfach. Jeder, der aufrecht gehen kann und sportlich ist, schafft eine 3-stündige Skitour; Fahrkönnen auf Skiern vorausgesetzt. Erfahrung und Lawinenkunde sind ein Muss: Bei hochalpinen Touren ändert sich die Lawinensituation je nach Zeitpunkt und Höhenlage empfindlich schnell. Erfahrene unter euch wissen, wovon ich rede. Anfänger, bitte gönnt euch einen Bergführer, der euch ein Gefühl für Gefahrenzeichen, Gefahrenstufen, Gefahrenstellen und Gefahrenquellen vermittelt. Er plant eure Tour entsprechend der Verhältnisse und eurem Können.

Hier die Kontakte der Bergführer im Gasteinertal:

Danke Sepp für die wunderbare Skitour im Gasteinertal. Ich komme wieder! Hochalpine Skitouren könnt ihr in Gastein bis Ende April oder Anfang Mai gehen, Höhenlage und Schneesicherheit – vor allem im hochalpinen Sportgastein –  machen es möglich.

Egal ob Hotel, Pension, Urlaub am Bauernhof oder Ferienwohnung. Hier finden Sie die passende Unterkunft für Ihren Urlaub in Gastein.

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